Der sogenannte vernünftige Grund im Tierschutzgesetz: Zu welchen Zwecken darf ein Tier getötet werden?

Der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz ist in der Tierethik kontrovers: Ist das Töten von Tieren zu Nahrungszwecken noch vernünftig?
Foto: Birgit Böllinger

Das deutsche Tierschutzgesetz (TierSchG) stellt klar, dass das Leben und Wohlbefinden von Tieren geschützt sind. Bereits in § 1 TierSchG heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Das Quälen eines Tieres zu Nutzungszwecken ist verwerflich, aber das Töten eines Tieres ist als größtmöglicher Schaden anzusehen. Der Paragraph 17 Tierschutzgesetz konkretisiert diesen Grundsatz strafrechtlich: Wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, macht sich strafbar und kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Tiere willkürlich oder aus nichtigen Motiven getötet werden. Das Gesetz schützt – anders als viele ausländische Regelungen – ausdrücklich auch das Leben des Tieres als schützenswertes Rechtsgut. Doch was genau ist eigentlich ein vernünftiger Grund laut Tierschutzgesetz?

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Was bedeutet „vernünftiger Grund“?

Der Gesetzgeber hat den Begriff bewusst offen formuliert und nicht abschließend definiert. Nach gängiger juristischer Auslegung liegt ein vernünftiger Grund vor, wenn das Verhalten gegenüber dem Tier einem schutzwürdigen Interesse dient, das im konkreten Fall schwerer wiegt als das Interesse am Schutz des Tierlebens. Es handelt sich also um eine Abwägungsentscheidung: Menschliche Interessen (etwa Ernährung, Gesundheitsschutz, Sicherheit) müssen im Einzelfall so wichtig sein, dass sie den Tierschutz überwiegen.

Dabei spielt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Rolle. Denn die Tötung ist nur dann „vernünftig“, wenn kein milderes Mittel zum Erreichen des Ziels ausreicht und der Nutzen der Tötung die Nachteile für das Tier deutlich überwiegt. Triviale, egoistische oder grausame Beweggründe stellen keinen vernünftigen Grund dar. So hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass ein Verhalten nicht auf „missbilligenswerten Motiven“ wie Lust an der Zerstörung oder bloßer Bequemlichkeit beruhen darf. Im Lichte des Staatsziels Tierschutz (seit 2002 im Grundgesetz verankert) werden an einen vernünftigen Grund heute strenge Maßstäbe angelegt.

Vernünftiger Grund Tierschutzgesetz: Typische erlaubte Zwecke

Im Sinne des TierSchG gibt es eine Reihe anerkannter Gründe, aus denen das Töten eines Tieres rechtlich zulässig ist. Diese Fälle gelten als „vernünftiger Grund“, sofern die Tötung fachgerecht und unter Beachtung tierschutzrechtlicher Vorschriften erfolgt:

  • Nahrungsgewinnung (Schlachtung von Tieren): Das Töten von Tieren zur Lebensmittelproduktion ist ein klassisches Beispiel für einen vernünftigen Grund. Unsere Rechtsordnung erlaubt das Schlachten von Nutztieren, um Fleisch, Milch oder Eier zu gewinnen. Dabei gelten strenge Vorschriften, die eingehalten werden müssen: Ein Wirbeltier darf nur von sachkundigen Personen und grundsätzlich nur nach wirksamer Betäubung getötet werden. Auch waidgerechte Jagd und Fischerei fallen unter diesen Grund, sofern sie tierschutzkonform durchgeführt werden.
  • Euthanasie aus Tierwohlgründen: Ein anerkannter Tötungsgrund ist die Erlösung eines Tieres von erheblichen Leiden, die nicht mehr heilbar sind. Ist ein Tier unheilbar krank oder schwer verletzt, gilt die Einschläferung aus Mitleid als gerechtfertigt. In der tierärztlichen Praxis gehört die Euthanasie unheilbar kranker Haustiere zu den traurigen, aber notwendigen Maßnahmen. Eine Einschläferung darf jedoch nur von sachkundigen Personen, meist Tierärzten, vorgenommen werden.
  • Seuchenbekämpfung und Gesundheitsschutz: Bei einem Seuchenausbruch (z. B. Geflügelpest oder Schweinepest) kann es notwendig sein, ganze Bestände zu töten, um die Ausbreitung zu verhindern. Auch zum Schutz des Menschen – etwa bei Angriffen durch aggressive Tiere – kann die Tötung gerechtfertigt sein.
  • Schädlingsbekämpfung: Die Tötung von sogenannten Schädlingen (z. B. Ratten) ist erlaubt, wenn sie eine Gesundheitsgefahr darstellen. Dabei muss jedoch sichergestellt werden, dass möglichst wenig Leid verursacht wird.
  • Tierversuche: Die Tötung von Tieren im Rahmen behördlich genehmigter Tierversuche stellt einen rechtlich anerkannten Grund dar, sofern die gesetzlichen Vorschriften streng eingehalten werden.
  • Gefahrenabwehr durch Behörden: In Ausnahmefällen dürfen Behörden die Tötung eines gefährlichen Tieres anordnen, wenn keine andere Maßnahme ausreicht. Dies geschieht etwa bei als gefährlich eingestuften Hunden, wenn eine Vermittlung ausgeschlossen ist.

Paragraph 17 Tierschutzgesetz: Was ist verboten?

Ein Verstoß gegen § 17 TierSchG liegt vor, wenn ein Tier ohne vernünftigen Grund getötet wird. Das Gesetz schützt insbesondere Wirbeltiere vor willkürlicher Tötung. Einige Beweggründe sind ausdrücklich nicht zulässig:

  • Bequemlichkeit oder Überdruss: Das Töten eines Tieres, weil es lästig ist oder Arbeit macht, ist verboten. Auch wirtschaftliche Gründe – etwa Überbesatz im Tierheim oder hohe Kosten – stellen keinen vernünftigen Grund dar.
  • Grausamkeit oder Mutwilligkeit: Tötungen, die aus Sadismus oder zum Vergnügen erfolgen, sind rechtswidrig. Auch das Töten zur bloßen Schaustellung – etwa im Rahmen einer „Performance“ oder künstlerischen Aktion – ist verboten.
  • Reine wirtschaftliche Interessen: Das Bundesverwaltungsgericht urteilte 2019, dass das massenhafte Töten männlicher Eintagsküken allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht mit dem Tierschutz vereinbar ist. Inzwischen ist diese Praxis in Deutschland gesetzlich verboten. Auch andere ökonomisch motivierte Tötungen ohne übergeordneten Zweck sind nicht erlaubt.
  • Religiöse oder politische Aktionen: Tötungen im Rahmen von Protest oder ohne behördliche Genehmigung (z. B. beim rituellen Schächten) sind ebenfalls unzulässig.

Vernünftiger Grund im Tierschutzgesetz: Nur wer verantwortungsvoll handelt, handelt rechtmäßig

Der vernünftige Grund im Tierschutzgesetz ist ein zentraler Begriff zum Schutz von Tierleben in Deutschland. Er erlaubt nur sehr eng umrissene Ausnahmen vom Grundsatz, dass Tiere nicht getötet werden dürfen. Der Gesetzgeber verlangt, dass stets eine Verhältnismäßigkeit zwischen menschlichem Interesse und dem Lebensrecht des Tieres besteht. Paragraph 17 Tierschutzgesetz macht klar: Wer ohne einen triftigen, gesetzlich anerkannten Grund ein Wirbeltier tötet, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Du siehst: Tiere genießen in Deutschland einen hohen rechtlichen Schutz. Das Leben eines Tieres darf nur dann beendet werden, wenn wirklich wichtige Interessen überwiegen – und auch dann nur unter strengsten Auflagen. Jede leichtfertige, unbegründete oder grausame Tötung ist verboten. So setzt das Tierschutzgesetz ein klares Zeichen: Das Leben und Wohlbefinden unserer Mitgeschöpfe sind kein Spielball menschlicher Willkür.