
Schildkröten sind Meister der Anpassung. Besonders in den eisigen Wintern Nordamerikas zeigen Zierschildkröten eindrucksvoll, wie erstaunlich flexibel ihr Organismus ist. Wenn die Temperaturen fallen und Teiche zufrieren, beginnt für diese Reptilien eine Überlebensstrategie, die selbst Wissenschaftler staunen lässt. Wie Schildkröten atmen, zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich ihre Anatomie an extreme Lebensbedingungen angepasst hat.
Im Sommer tummeln sich Zierschildkröten an der Wasseroberfläche, holen regelmäßig Luft und genießen die Wärme. Doch im Winter ist das anders. Wenn ihre Teiche zufrieren, können sie oft monatelang nicht auftauchen. Stattdessen reagieren sie mit einer drastischen Senkung ihrer Körpertemperatur. Ihr Stoffwechsel verlangsamt sich um bis zu 95 Prozent. Das verringert ihren Sauerstoffbedarf enorm – aber ganz ohne geht es nicht.
Statt über ihre Lungen atmen sie dann über die Kloake. Das klingt kurios, ist aber lebensrettend. Über spezialisierte Blutgefäße rund um dieses Mehrzweckorgan können sie Sauerstoff direkt aus dem Wasser aufnehmen. Diese sogenannte Kloakenatmung ist ein Überlebensmechanismus, der Schildkröten erlaubt, bis zu einem halben Jahr unter Eis zu verharren – ohne zu ertrinken.
Wie atmen Schildkröten normalerweise? Auch außerhalb der Winterstarre ist ihre Atmung ein faszinierendes Zusammenspiel verschiedener Organe. Der sogenannte Apparatus respiratorius beginnt mit der Nase und reicht bis zu den Alveolen in der Lunge. Die wichtigsten Aufgaben sind dabei die Aufnahme von Sauerstoff, die Abgabe von Kohlendioxid sowie die Reinigung und Befeuchtung der Atemluft.
Die Nasenhöhle, die bei Schlangenhalsschildkröten am Ende eines schnorchelartigen Rüssels liegt, verbindet sich über sogenannte Choanen mit dem Rachenraum. Dort schützt eine Glottis die Luftröhre beim Schlucken, wobei ein Kehldeckel – anders als beim Menschen – fehlt.
Die Luftröhre ist bei Schildkröten besonders flexibel. Sie windet sich mit dem Hals mit und teilt sich weiter unten in zwei Bronchien, die zu den Lungenflügeln führen. Diese liegen direkt unter dem Panzer und nehmen bis zu einem Drittel des Körpervolumens ein. Trotz dieser Größe gibt es ein Problem: Der Panzer verhindert die typische Brustkorbatmung.
Statt den Brustkorb zu bewegen – was durch den starren Panzer unmöglich ist – verwenden Schildkröten spezielle Muskelschlingen und Bewegungen der Gliedmaßen, um den Atemfluss zu steuern. Landschildkröten atmen meist passiv ein und aktiv aus. Bei Wasserschildkröten ist es genau umgekehrt. Der Wasserdruck beeinflusst dabei die Mechanik ihrer Atmung entscheidend.
Die Lunge ist so gebaut, dass sie selbst bei Bewegungen der inneren Organe nicht zusammengedrückt wird. Doch eine Besonderheit gibt es: Schildkröten besitzen kein Zwerchfell und können daher nicht husten. Das macht sie besonders anfällig für Atemwegserkrankungen. Schleim oder Flüssigkeit können sich in der Lunge stauen und zu gefährlichen Lungenentzündungen führen.
Sumpf- und Wasserschildkröten verbringen den Großteil ihres Lebens im Wasser. Ihre Lungen dienen hier nicht nur dem Atmen, sondern auch als Schwimmhilfe. Zudem sind sie in der Lage, Sauerstoff über Haut und Schleimhäute aufzunehmen – ein weiterer Trick der Natur.
Besonders spannend ist die Nutzung der sogenannten Analblase. Dieses Organ liegt nahe dem Enddarm und kann mit Wasser gefüllt und geleert werden. In den Wänden dieser Blase befinden sich feinste Strukturen mit vielen Blutgefäßen, die Sauerstoff aus dem Wasser ziehen. Diese Atmungsmethode funktioniert völlig geräuschlos – aber effektiv.
Die Kloakenatmung ist nicht nur ein Wintertrick. Sie spielt auch in anderen Lebensbereichen eine Rolle: zum Beispiel bei der Vorbereitung des Nestplatzes oder zur Feindabwehr. Manche Schildkröten – wie die australische Fitzroy-Schildkröte – können ihre Analblase gezielt kontrahieren. Bis zu 60 Mal pro Minute pumpen sie so Wasser ein und aus, um ihre Atmung unter Wasser zu steuern.
Auch beim Schwimmen hilft die Analblase. Sie wirkt wie eine Art Tarierungssystem und hilft, die Position im Wasser stabil zu halten. Gleichzeitig kann das Organ bei Gefahr stinkende Sekrete abgeben – eine clevere Abwehrmaßnahme gegen Fressfeinde.
Nicht alle Schildkröten atmen gleich. Landschildkröten sind auf die klassische Nasenatmung angewiesen und funktionieren ähnlich wie andere Reptilien. Meeresschildkröten leben fast durchgehend im Wasser, müssen aber zum Luftschnappen an die Oberfläche kommen. Doch auch sie nutzen unter Wasser teilweise ihre Analblase zur Sauerstoffaufnahme.
Moschusschildkröten gehen noch einen Schritt weiter: Sie besitzen ein zusätzliches Rachenorgan, mit dem sie im Wasser atmen können. Solche Anpassungen zeigen eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Antwort auf die Frage „Wie atmen Schildkröten?“ ausfallen kann – je nach Lebensraum und Art.
Schildkröten atmen nicht nur über ihre Lungen. Je nach Situation nutzen sie auch Haut, Schleimhäute, Rachen oder sogar die Kloake zur Sauerstoffaufnahme. Gerade in Extremsituationen wie der Winterstarre greifen sie auf diese besonderen Mechanismen zurück. Ihre Fähigkeit, sich an verschiedenste Umweltbedingungen anzupassen, macht sie zu wahren Überlebenskünstlern.