Unglaublich, aber wahr: Hunde können Krankheiten riechen

Hunde können Krankheiten riechen – von Krebs über Diabetes bis hin zu epileptischen Anfällen. Der Artikel erklärt, wie Spürhunde Krankheiten erschnüffeln, wie sie trainiert werden und welche wissenschaftlichen Erfolge und Zukunftsperspektiven es gibt.
Foto: Kaboompics.com

Hunde können Krankheiten riechen – was zunächst verblüffend klingt, ist inzwischen wissenschaftlich belegt. Unsere Vierbeiner spüren Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder sogar einen bevorstehenden epileptischen Anfall allein mit ihrem Geruchssinn auf. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Hunde dazu in der Lage sind, verschiedene Krankheiten zu erschnüffeln, wie sie dafür trainiert werden, welche Forschungsergebnisse es gibt und welche Perspektiven die Medizin darin sieht.

Hunde können Krankheiten riechen: Wie ist das möglich?

Die Hundenase ist ein Wunderwerk der Natur. Hunde besitzen bis zu 300 Millionen Riechzellen – beim Menschen sind es nur etwa 5 Millionen​. Die Fläche der Nasenschleimhaut eines Hundes kann 200 cm² betragen (etwa die Größe eines DIN-A4-Blattes), während sie beim Menschen nur rund 5 cm² misst. Zudem haben Hunde ein zusätzliches Riechorgan, das Jacobson-Organ am Gaumen, mit dem sie Pheromone und damit sogar Stimmungen und hormonelle Veränderungen wahrnehmen können​. Kurz: Der Geruchssinn eines Hundes ist unserem um ein Vielfaches überlegen.

Viele Krankheiten gehen mit Veränderungen im Körpergeruch einher. Im Körper von Erkrankten entstehen spezifische flüchtige organische Verbindungen (geruchstragende Moleküle), die für gesunde Menschennasen oft nicht wahrnehmbar sind. Hunde können solche minimalen Geruchsspuren jedoch entdecken. Wie genau etwa Krebs oder Diabetes riechen, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt​. Es gibt aber Hinweise, dass zum Beispiel Diabetikerwarnhunde bestimmte chemische Verbindungen wahrnehmen, die bei Unterzuckerung freigesetzt werden​. Jede Krankheit hat vermutlich ein eigenes „Geruchsprofil“. Dank ihrer feinen Nase und dem hochentwickelten Geruchs-Hirn können Hunde diese Krankheitsgerüche aus dem Hintergrund der Alltagsdüfte herausfiltern.

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Krebs erschnüffeln: Hunde als Krebsspürhunde

Bereits seit den 1980er-Jahren gibt es Berichte, dass Hunde Tumore bei ihren Besitzern erschnüffelt haben. Inzwischen ist durch Studien belegt, dass Hunde verschiedene Krebsarten am Geruch erkennen können​. Trainierte Spürhunde schlugen in Tests etwa bei Prostata-, Darm- und Hautkrebs zuverlässig Alarm​. Die Trefferquote lag dabei oftmals über 90 Prozent​. Besonders eindrucksvoll sind die Ergebnisse einer amerikanischen Studie aus jüngerer Zeit: Wissenschaftler trainierten Beagles darauf, Blutproben von Lungenkrebspatienten von gesunden Proben zu unterscheiden. Die Hunde identifizierten die Krebsproben in 96,7 % der Fälle korrekt und erkannten gesunde Blutproben zu 97,5 % richtig​. Solche Zahlen sind für medizinische Tests bemerkenswert.

Doch was bedeutet das für die Praxis? Krebsspürhunde könnten vor allem in der Früherkennung eine Rolle spielen. Beispielsweise ließe sich durch Hundespürtests eine kostengünstige Voruntersuchung durchführen: Wenn der Hund eine Probe auffällig findet, könnten danach gezielte klinische Tests folgen. Aktuell laufen weltweit Forschungsprojekte mit Hunden, die darauf trainiert werden, Krebsarten wie Lungen-, Brust-, Eierstock- oder Blasenkrebs zu riechen​. Die Hunde erschnüffeln dafür entweder Atemproben, Urin oder Blut von Patienten. Einige Kliniken und Organisationen – etwa Medical Detection Dogs in Großbritannien – arbeiten bereits mit solchen Krebssuchhunden. Noch sind Hunde in der Krebsdiagnostik nicht überall anerkannt, doch die Erfolge häufen sich und wecken Hoffnung auf neue Wege in der Krebsfrüherkennung.

Diabetes: Warnhunde retten Leben

Für Menschen mit Diabetes (insbesondere Typ-1-Diabetes) können speziell ausgebildete Hunde zum Lebensretter werden. Diese Diabetes-Warnhunde erkennen gefährliche Blutzuckerschwankungen ihres Herrchens oder Frauchens oft früher als technische Messgeräte. So machte der Fall eines siebenjährigen Jungen Schlagzeilen, dessen Labrador namens „Jedi“ einen nächtlichen Blutzuckerabfall erschnüffelte, den das elektronische Messgerät noch gar nicht angezeigt hatte​. Der Hund weckte die Mutter des Jungen und verhinderte so einen möglichen diabetischen Schock.

Die Fähigkeit der Hunde in diesem Bereich ist durch Studien untermauert. In einer britischen Untersuchung mit 27 Diabetikerwarnhunden erkannten die Tiere im Durchschnitt rund 83 % der gefährlichen Unterzuckerungen (Hypoglykämien) ihrer Besitzer​. Auch viele Überzuckerungen (Hyperglykämien) wurden erschnüffelt. Dabei zeigten einzelne Hunde eine nahezu perfekte Quote ohne Fehlalarm, während andere etwas unzuverlässiger waren​. Insgesamt korrelierten über 80 % aller vom Hund angezeigten Alarme mit tatsächlich kritischen Blutzuckerwerten​. Diese Vierbeiner können ihren Menschen also rechtzeitig warnen, bevor die Betroffenen selbst Symptome spüren – etwa indem sie unruhig werden, bellen oder sogar das Diabetes-Notfallset bringen.

Für Diabetiker bedeutet das ein Plus an Sicherheit und Lebensqualität. Gerade nachts oder bei kleinen Kindern mit Diabetes ist die permanente Überwachung schwierig – ein gut trainierter Hund springt hier ein und schlägt Alarm, sobald der Blutzucker in den gefährlichen Bereich rutscht. Wichtig ist aber: Der Hund ersetzt keine medizinische Therapie, er ergänzt sie. Ärzte betonen, dass Diabetiker trotz Warnhund weiterhin regelmäßig messen müssen. Doch ein Diabeteswarnhund kann vor allem vor akuten Notfällen bewahren und so im wahrsten Sinne des Wortes Leben retten.

Epilepsie: Hunde warnen vor Anfällen

Auch bei Epilepsie kommen Hunde als Helfer zum Einsatz. Viele Betroffene berichten, dass ihre Hunde ungewöhnliches Verhalten zeigen, kurz bevor ein epileptischer Anfall auftritt – etwa unruhig werden, jaulen oder den Körperkontakt suchen. Lange Zeit war unklar, ob Hunde tatsächlich einen Anfall vorausriechen können oder lediglich subtile Verhaltensänderungen beim Besitzer wahrnehmen. Neuere Forschung liefert hier klare Hinweise: 2021 belegte eine Studie der Queen’s University Belfast, dass epileptische Anfälle mit einem einzigartigen Geruch einhergehen, den Hunde erkennen können​. In dem Versuch wurden Hunden Geruchsproben von Epilepsiepatienten präsentiert – getrennt nach Phasen vor, während und nach einem Anfall. Erstaunlicherweise reagierten alle 19 getesteten Hunde deutlich auf die Gerüche, die mit einem Anfall zusammenhingen, selbst ohne vorheriges Training​. Sie suchten die Nähe ihres Besitzers, stupsten ihn an oder wurden unruhig, sobald sie die Anfalls-Probe rochen, während sie auf normale Gerüche nicht so reagierten.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde bevorstehende Anfälle tatsächlich riechen können und ihre Besitzer warnen möchten. Epilepsie-Warnhunde werden mittlerweile gezielt ausgebildet, um Menschen mit schwerer Epilepsie mehr Autonomie zu ermöglichen. Ein Hund kann beispielsweise den Alarmknopf einer Notfallklingel betätigen oder Hilfe holen, wenn der Anfall beginnt. Vor allem aber kann er seinen Menschen durch sein Vorwarn-Verhalten dazu bringen, sich hinzulegen oder in Sicherheit zu begeben, bevor der Krampfanfall einsetzt. Das verringert das Verletzungsrisiko erheblich. Obwohl noch weiter erforscht werden muss, wie konsistent und früh Hunde einen Anfall anzeigen können, sind die bisherigen Erfahrungen äußerst positiv. Für Epileptiker, die unvorhersehbare Anfälle fürchten, ist die Vorstellung beruhigend, dass ihr Hund sie rechtzeitig warnen könnte.

Wie werden Hunde trainiert, Krankheiten zu riechen?

Die hohe Spürleistung der Hunde ist teils angeboren, muss aber für den medizinischen Einsatz systematisch trainiert werden. Nicht jeder Hund eignet sich – gesucht sind Tiere mit ausgeprägtem Geruchssinn, hoher Motivation und guter Konzentrationsfähigkeit (oft werden Labradore, Golden Retriever, Schäferhunde oder Beagles eingesetzt​). Die Ausbildung zum Spürhund für Krankheiten erfolgt mit positivem Training und dauert meist viele Monate.

Zunächst muss der Hund den Zielgeruch kennenlernen. Beim Diabeteswarnhund etwa werden ihm Proben (Speichel oder Schweiß) präsentiert, die von einem Diabetiker während einer Unterzuckerung stammen. Reagiert der Hund richtig – z.B. indem er ruhig an der Probe schnüffelt oder den Trainer anschaut – wird er belohnt​. So verknüpft der Hund den spezifischen Geruch eines niedrigen Blutzuckerspiegels mit etwas Positivem. Durch hundegerechte Wiederholungen lernt er, diesen Geruch zuverlässig zu erkennen und anzuzeigen, während er andere Alltagsgerüche ignoriert​. Ähnlich verläuft das Training für andere Krankheiten: Hunde werden über einen Clicker (ein Knackfrosch-Gerät zur Markierung des gewünschten Verhaltens) und Futterlob darauf konditioniert, Krankheitsproben von Kontrollproben zu unterscheiden​.

In Ländern wie Großbritannien oder den USA gibt es spezialisierte Organisationen (z.B. Medical Detection Dogs oder Diabetic Alert Dogs Inc.), die solche Assistenzhunde ausbilden und vermitteln. In Deutschland werden Diabetes- und Epilepsiewarnhunde seit etwa den 2000er-Jahren ausgebildet, teils durch private Trainer oder Vereine. Die Kosten für die Ausbildung sind hoch (mehrere tausend Euro) und werden bisher nur selten von Krankenkassen übernommen. Trotzdem entscheiden sich immer mehr Menschen mit chronischen Krankheiten für einen vierbeinigen Helfer, da die Zuverlässigkeit gut trainierter Spürhunde beeindruckt und eine enorme Unterstützung im Alltag bieten kann.

Medizinische Forschung und Perspektiven

Die Tatsache, dass Hunde Krankheiten riechen können, hat in der Medizin zunächst Erstaunen, dann wachsende Neugier geweckt. Anfangs begegneten viele Mediziner dem Konzept mit Skepsis – frühere Studien hatten noch uneinheitliche Ergebnisse gezeigt und Zweifel an der Zuverlässigkeit geweckt​. Doch mit verbesserten Trainingsmethoden und Studienprotokollen häufen sich inzwischen überzeugende Resultate. Die medizinische Forschung untersucht nun intensiv, wie man die Spürnase der Hunde gezielt für Diagnose und Früherkennung einsetzen kann.

Eine zentrale Frage ist: Soll man Hunde direkt als diagnostische Helfer einsetzen oder lieber die Technik von den Hunden lernen? Einige Projekte setzen auf Ersteres – so wurden etwa während der Corona-Pandemie Spürhunde darauf trainiert, COVID-19-Infektionen am Schweiß oder Urin von Menschen zu erkennen. Die Resultate waren erstaunlich: In einer Studie erschnüffelten Hunde Corona-Positive mit bis zu 94 % Genauigkeit​, teils sogar bevor PCR-Tests anschlugen. Sogar Long-Covid-Patienten ließen sich von den Hunden mit hoher Treffsicherheit von Gesunden unterscheiden​. Solche Corona-Spürhunde kamen testweise an Flughäfen oder bei Veranstaltungen zum Einsatz. Das zeigt, welches Potenzial in den Vierbeinern steckt, wenn schnelle Massentests benötigt werden.

Andere Forscher verfolgen den Ansatz, aus den Fähigkeiten der Hunde technische Diagnosemethoden zu entwickeln. Wenn ein Hund z.B. Lungenkrebs so sicher am Geruch erkennt, möchte man gern wissen, welche Moleküle genau er riecht. In der oben erwähnten Beagle-Studie hoffen die Wissenschaftler, die von den Hunden erschnüffelten Krebs-Biomarker zu identifizieren​. Ziel ist es, eine Art „elektronische Spürnase“ oder chemischen Test zu entwickeln, der die gleiche Geruchssignatur erkennt​. Eine erfolgreiche Isolation solcher Duftstoffe könnte zu neuen nicht-invasiven Diagnosetests führen – z.B. einem Gerät, das eine Atem- oder Urinprobe auf spezifische Krebsgerüche scannt. Auf diese Weise würden die Hunde sozusagen Pate für moderne Medizintechnik stehen.

Ausblick

Schon jetzt gibt es vereinzelt Kooperationen zwischen Kliniken und Spürhunden. In einigen Ländern werden Krebs-Spürhunde in Pilotprogrammen getestet, um z.B. Prostatakrebs in Urinproben früh aufzuspüren. Für den klinischen Routineeinsatz müssen jedoch noch Standards geschaffen werden – etwa wie Proben gelagert und präsentiert werden, wie man die Hunde regelmäßig „nachschult“ und wie Ergebnisse objektiv bewertet werden. Die Medizin sieht die Hilfe der Hunde aktuell vor allem als ergänzende Maßnahme: Hunde könnten einen initialen Hinweis geben, ersetzt werden muss die Diagnose aber letztlich durch ärztliche Untersuchungen. Dennoch sind Fälle dokumentiert, in denen Ärzte erst dank des Hinweises eines Hundes eine schwer erkennbare Krankheit gefunden haben​ (so etwa bei unentdeckten Infektionen).

Der Ausblick ist spannend. Experten sind sich einig, dass wir noch viel von der Hundenase lernen können. Hunde als lebende „Biosensoren“ könnten besonders dort zum Einsatz kommen, wo herkömmliche Tests versagen oder zu teuer, langsam und unhandlich sind. Etwa in Entwicklungsländern könnten Spürhunde helfen, Tuberkulose oder Malaria früh zu erkennen​. Auch in der Nachsorge von Krebspatienten ließe sich ein Rückfall möglicherweise durch einen aufmerksamen Hund früher anzeigen. Die Forschung wird weiter klären, bei welchen Krankheiten Hunde am zuverlässigsten riechen und wie man diese Fähigkeit optimiert nutzen kann. Sicher ist: Hunde können Krankheiten riechen, und diese besondere Gabe eröffnet neue Möglichkeiten in Prävention und Diagnostik – zum Nutzen der Patienten.