Der unglaubliche Winterschlaf der Schnecken: So trotzen sie Eis, Kälte und Zeit

: Entdecke, wie Schnecken den Winter überstehen. Alles über den Winterschlaf Schnecken, ihre Tricks und faszinierenden Überlebensstrategien.
Foto: Pixabay

Schnecken gehören zu den faszinierendsten Überlebenskünstlern im Tierreich. Wenn die Temperaturen sinken, verfallen viele Arten in einen Zustand der Ruhe, den man umgangssprachlich als Winterschlaf Schnecken bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nicht um einen klassischen Winterschlaf wie bei Säugetieren, sondern um eine sogenannte Winterstarre. In diesem Zustand sind die Tiere vollkommen inaktiv, ihre Körperfunktionen laufen auf ein Minimum reduziert. Der Stoffwechsel wird stark heruntergefahren, um Energie zu sparen und den Winter zu überstehen – eine erstaunliche Strategie für so kleine Lebewesen.

Winterschlaf Schnecken: Der Unterschied zwischen Starre und Schlaf

Im Gegensatz zu warmblütigen Tieren wie Igeln oder Fledermäusen können Schnecken keine eigene Körperwärme erzeugen. Sie sind wechselwarme Tiere und passen ihre Aktivität vollständig den Umgebungstemperaturen an. Bei Kälte verfallen sie in die sogenannte Winterstarre. Diese Form der Ruhe ist passiv – es handelt sich nicht um einen regulierten, rhythmisch verlaufenden Winterschlaf, sondern um eine spontane Reaktion auf sinkende Temperaturen. Besonders Landschnecken, wie die weit verbreitete Weinbergschnecke (Helix pomatia) oder Bänderschnecken (Cepaea-Arten), ziehen sich im Spätherbst in geschützte Verstecke zurück. Sie verkriechen sich unter Laub, in Mauerritzen oder graben sich in die Erde ein und bleiben dort für mehrere Monate – meist von Oktober bis März – vollständig regungslos.

Wer überlebt wie? Verschiedene Strategien der Schneckenarten

Nicht alle Schnecken verfolgen dieselbe Überlebensstrategie. Nacktschnecken, denen ein schützendes Gehäuse fehlt, sind besonders empfindlich gegenüber Frost. Die meisten Arten überwintern daher als Eier oder Jungtiere. Die erwachsenen Tiere sterben im Herbst ab. Einige größere Nacktschnecken, wie die robuste Spanische Wegschnecke, können sich jedoch bei mildem Winterwetter tief im Boden eingraben und so auch als ausgewachsene Tiere überdauern. Ganz anders gehen Wasserschnecken vor: Sie verbringen die kalte Jahreszeit am Gewässergrund. Arten wie die Sumpfdeckelschnecke (Viviparus) oder die Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis) graben sich in den Schlamm ein, wo die Temperaturen konstant um +4 °C liegen. Das schützt sie zuverlässig vor dem Erfrieren – auch bei zugefrorener Wasseroberfläche.

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Auslöser für die Winterruhe: Wenn es draußen ungemütlich wird

Der Beginn des Winterschlafs Schnecken wird durch verschiedene Umweltreize ausgelöst. Sinkende Temperaturen, kürzere Tageslichtphasen und ein rückläufiges Nahrungsangebot geben den Takt vor. Für viele Arten ist ein Temperaturabfall unter etwa 8 °C das Signal, sich zurückzuziehen. Die Weinbergschnecke beispielsweise stellt dann ihre Aktivität vollständig ein. Wasserschnecken reagieren ähnlich: Sobald das Wasser auf 4 °C abkühlt, ziehen sie sich in tiefere, sauerstoffarme Schichten zurück. Je nach Region und Wetterbedingungen kann diese Winterstarre zwischen drei und sechs Monaten dauern. Erst im Frühling, wenn die Temperaturen steigen und Regenfälle einsetzen, erwachen die Tiere wieder zum Leben.

Geniale Tricks zum Überleben

Schnecken haben beeindruckende Anpassungsmechanismen entwickelt, um den Winter zu überstehen. Landschnecken verschließen die Öffnung ihres Gehäuses mit einem Schleimdeckel, dem sogenannten Epiphragma. Dieser härtet aus und wird zu einer schützenden Kalkschicht. Er verhindert das Austrocknen, lässt jedoch etwas Luft durch, sodass die Schnecke weiterhin atmen kann. Manche Arten, wie die Weinbergschnecke, erzeugen zusätzlich Luftpolster zwischen sich und dem Epiphragma. Diese wirken wie eine natürliche Isolierung gegen Kälte – vergleichbar mit Doppelverglasung bei Fenstern. Auf diese Weise sind manche Schneckenarten in der Lage, Temperaturen bis zu –40 °C zu überleben.

Ein weiterer Trick ist die „Frostschutzstrategie“: Schnecken scheiden vor der Starre möglichst viel Wasser aus und erhöhen die Salzkonzentration in ihrer Körperflüssigkeit. Dadurch sinkt der Gefrierpunkt, was das Einfrieren des Gewebes verhindert. Zusätzlich produzieren sie spezielle Kryoprotektiva, also Moleküle, die Eiskristalle im Zellinneren verhindern. Der Stoffwechsel wird extrem verlangsamt: Der Herzschlag sinkt auf wenige Schläge pro Minute, der Sauerstoffverbrauch reduziert sich auf nur rund zwei Prozent des Normalwertes. Einige Arten kommen zeitweise sogar komplett ohne Sauerstoff aus, indem sie auf anaerobe Prozesse umschalten.

Besonderheiten bei Wasserschnecken

Auch im Wasser haben Schnecken erstaunliche Fähigkeiten. Kiemenatmende Arten wie die Sumpfdeckelschnecke brauchen nur wenig Sauerstoff und bewegen sich im Winter kaum. Lungenatmer, wie die Spitzschlammschnecke, können bei Bedarf auf Hautatmung umstellen. Manche besitzen sogar roten Blutfarbstoff (Hämoglobin), um Sauerstoff effektiver zu speichern. Diese Fähigkeiten ermöglichen es den Schnecken, wochenlang bewegungslos im Bodenschlamm zu verharren. Selbst wenn das Gewässer zufriert, ist ihr Überleben gesichert. Einige Arten sind darüber hinaus in der Lage, sowohl Trockenphasen als auch Durchfrierungen zu überstehen – eine seltene Kombination im Tierreich.

Kuriose Fakten rund um den Winterschlaf Schnecken

Es gibt erstaunliche Geschichten über Schnecken im Ruhezustand. Besonders spektakulär ist der Fall einer ägyptischen Wüstenschnecke (Eremina desertorum). Dieses Tier verbrachte vier Jahre lang scheinbar tot an einer Ausstellungswand des British Museum – bis es plötzlich wieder zum Leben erwachte. Untersuchungen zeigen, dass solche Arten sogar bis zu acht Jahre ohne Nahrung und Wasser überdauern können. Auch heimische Schnecken überraschen mit ihrer Anpassungsfähigkeit. Zwergschnecken, die in Laubstreu leben, wurden bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt noch aktiv unter der Schneedecke beobachtet. Ihre geringe Größe verhindert ein zu starkes Auskühlen. Doch die meisten Schnecken verschwinden im Winter völlig aus unserem Blickfeld – und tauchen erst im Frühling, wenn Regen und Wärme zurückkehren, wieder auf.

Frühlingserwachen und Hunger

Wenn die Temperaturen wieder steigen, beginnt für die Schnecken der Neustart ins Jahr. Sie lösen den Kalkdeckel auf oder stoßen ihn ab und verlassen ihr Winterquartier. Viele sind nach der langen Starre stark geschwächt: Weinbergschnecken verlieren bis zu 15 % ihres Körpergewichts während des Winters. Entsprechend hungrig machen sie sich auf die Suche nach Nahrung und Wasser – langsam, aber ausdauernd. Der Kreislauf beginnt von vorn, bis sich im Herbst erneut die Zeichen für den nächsten Winterschlaf Schnecken einstellen.

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