Hunde in der Türkei: Ein ungelöstes Problem und eine umstrittene Gesetzesänderung

Kangal
Foto: GLady

Schätzungsweise vier Millionen Hunde leben in der Türkei auf der Straße. Besonders in Großstädten wie Istanbul, wo über 100.000 Straßentiere gezählt werden, ist das Problem allgegenwärtig. Viele dieser Tiere stammen von ausgesetzten Haustieren ab, die unkastriert auf die Straße gesetzt wurden und sich unkontrolliert vermehren. Private Züchter produzieren zudem mehr Welpen, als verkauft werden können, was das Problem weiter verschärft. In ländlichen Gebieten leben Haustiere oft draußen und kreuzen sich mit Straßentieren, wodurch die Population weiter ansteigt. Da es an flächendeckenden Kastrationsprogrammen fehlt, bleibt das Wachstum der Population ungebremst.

Das Leid der Hunde in der Türkei

Das Leben auf der Straße ist für Hunde und Katzen voller Gefahren. Im Winter können die Temperaturen auf -20°C fallen, während im Sommer extreme Hitze herrscht. Viele Tiere leiden unter Hunger und Durst, da sie keinen Zugang zu ausreichender Nahrung oder sauberem Wasser haben. Krankheiten wie Tollwut, Staupe und Leishmaniose verbreiten sich rasch und enden oft tödlich. Der Straßenverkehr stellt eine weitere Bedrohung dar, denn täglich werden unzählige Tiere von Autos erfasst und schwer verletzt oder getötet. Hinzu kommt, dass viele Straßentiere Opfer von Misshandlungen durch Menschen werden.

Neues Gesetz: Massentötungen von Straßenhunden

Seit Juli 2024 sind türkische Kommunen gesetzlich verpflichtet, Straßenhunde systematisch einzufangen. Kranke und als gefährlich eingestufte Tiere sollen direkt eingeschläfert werden. Das Problem ist jedoch, dass die vorhandenen Tierheime bereits völlig überlastet sind. Für vier Millionen Hunde stehen nur rund 100.000 Plätze zur Verfügung, und viele Kommunen verfügen über gar keine Unterbringungsmöglichkeiten. Daher drohen Massentötungen als letzte Maßnahme, um der Lage Herr zu werden.

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Die türkische Regierung argumentiert, dass das Gesetz notwendig sei, um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten. In den letzten Jahren kam es mehrfach zu Angriffen durch Straßenhunde, bei denen Menschen verletzt oder sogar getötet wurden. Besonders in ländlichen Regionen und Vororten wird die steigende Zahl der Hunde als Risiko betrachtet. Präsident Recep Tayyip Erdoğan betonte, dass es das Ziel sei, alle Hunde aus Tierheimen zu vermitteln. Sollte jedoch keine Adoption erfolgen, sei die Tötung der Tiere die einzige Alternative.

Tierschützer und Teile der Opposition kritisieren das Gesetz scharf. Sie argumentieren, dass es nicht nur grausam, sondern auch wirkungslos sei. Anstatt die Ursache des Problems zu bekämpfen, würden die Massentötungen nur Platz für neue Straßentiere schaffen, die sich weiter vermehren. Zudem fehle es an Alternativen, da die Regierung keine flächendeckenden Kastrationsprogramme oder bessere Bedingungen in den Tierheimen vorsehe. Proteste in mehreren türkischen Städten haben bereits gezeigt, dass viele Bürger das Vorgehen der Regierung ablehnen.

Tierheime in der Türkei: Überfüllt und oft katastrophal

Die wenigen Tierheime in der Türkei sind meist überfüllt und befinden sich in einem besorgniserregenden Zustand. Viele Einrichtungen sind stark unterfinanziert und können den Tieren kaum eine artgerechte Unterbringung bieten. Futter ist oft knapp, und in einigen Tierheimen verhungern die Hunde buchstäblich, da keine ausreichenden Mittel für ihre Versorgung vorhanden sind. Zudem fehlt es an tierärztlicher Betreuung, sodass Krankheiten und Verletzungen oft unbehandelt bleiben. Infektionskrankheiten wie Staupe oder Parvovirose breiten sich rasant aus, da die Tiere unter unhygienischen Bedingungen auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Viele Hunde und Katzen leiden unter offenen Wunden, Parasitenbefall und Mangelernährung.

Adoptionen aus Tierheimen sind in der Türkei eher selten, da es kulturell nicht weit verbreitet ist, Tiere aus solchen Einrichtungen zu übernehmen. Die wenigen Menschen, die bereit sind, einen Hund oder eine Katze aufzunehmen, bevorzugen oft Rassehunde von Züchtern. Da die Kapazitäten der Tierheime nicht ausreichen und sich nur wenige Tiere vermitteln lassen, sterben viele Insassen entweder an den schlechten Bedingungen oder werden nach einer gewissen Zeit eingeschläfert, um Platz für neue Ankömmlinge zu schaffen.

In einigen Gemeinden wurden auch Berichte über Misshandlungen in staatlichen Tierheimen bekannt. Videos und Augenzeugenberichte zeigen, dass Tiere teilweise ohne Betäubung getötet oder unter grausamen Bedingungen sich selbst überlassen werden. Diese Zustände haben bereits mehrfach für internationale Empörung gesorgt, doch grundlegende Verbesserungen lassen auf sich warten.

Tötung der Hunde in der Türkei ist keine Lösung 

Die Massentötung von Straßentieren wird das Problem nicht lösen, denn solange es unkastrierte Tiere gibt, wird sich die Population immer wieder erholen. Ausgesetzte Haustiere und unkastrierte Straßenhunde vermehren sich weiter, und freigewordene Reviere werden von neuen Tieren besetzt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass nur flächendeckende Kastrationsprogramme das Problem langfristig eindämmen können. Zusätzlich ist ein gesellschaftlicher Wandel erforderlich, bei dem Straßentiere als Teil der städtischen Kultur anerkannt und geschützt werden.

Tierschützer setzen sich für die Tiere ein

Trotz der prekären Lage gibt es zahlreiche Menschen, die sich aktiv für Straßentiere, insbesondere Hunde in der Türkei einsetzen. Özlem Sahin aus Istanbul versorgt täglich bis zu 100 Hunde mit Futter und organisiert Kastrationen an den Futterstellen. Tugay Abukan, auch bekannt als „Waldengel“, rettet ausgesetzte Hunde aus den Wäldern rund um Istanbul und sorgt für ihre medizinische Versorgung. Babette Terveer von TSV Notpfote Animal Rescue engagiert sich seit den Erdbeben 2023 für die Rettung und medizinische Versorgung heimatloser Tiere und unterstützt Kastrationsprogramme.

So kannst du Hunden in der Türkei helfen

Wer sich für das Wohl der Straßentiere in der Türkei einsetzen möchte, hat verschiedene Möglichkeiten. Spenden an Kastrationsprogramme und Futterhilfen können einen direkten Beitrag leisten. Die Unterstützung lokaler Tierschutzorganisationen hilft dabei, das Leid der Tiere zu lindern. Zudem ist es wichtig, Aufmerksamkeit für dieses Thema zu schaffen und politischen Druck aufzubauen, um langfristige und nachhaltige Lösungen zu fördern. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, als Flugpate zu helfen. Dabei können Tiere, die von deutschen oder internationalen Organisationen vermittelt wurden, im Rahmen eines Fluges in ein neues Zuhause gebracht werden. Auch Pflegestellen sind von großer Bedeutung. Wer Platz und Zeit hat, kann einem Tier vorübergehend ein sicheres Zuhause bieten, bis eine endgültige Vermittlung möglich ist.

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